Wohin, woher?
Folgenden Auszug eines Artikels fand ich im
Forum:
"Warum siehst Du den Dorn im Auge des anderen, aber den Balken in Deinem eigenen nicht?"
Das World Trade Center ist eingestürzt. Das Pentagon brennt. Die Wall Street steht noch und macht weiter wie bisher. Der Bundeskanzler redet von einer "Kriegserklärung gegen die zivilisierte Welt". Die Politiker versuchen sich gegenseitig zu übertreffen in ihrer Betroffenheitsrethorik: "Die Werte des christlichen Abendlandes sind in Gefahr..." durch diesen "Angriff auf Freiheit und Demokratie..." "verabscheut von allen friedliebenden Völkern...". "Jetzt, wo die Welt immer mehr zusammenrückt...", "zeigt sich die Verwundbarkeit der offenen Gesellschaft...", ein Beweis dafür, das "wir unsere Sicherheitskonzepte neu überdenken müssen!".
Mir dreht sich der Magen um, ich möchte auf die Straße rennen und brüllen: Lügner, Heuchler! Denn wenn ich mich umschaue, sehe ich nur einen Wert, der das christliche Abendland wirklich zusammenhält: grenzenlose GIER! Sie schaut mich von jeder Werbung an, die mir zuruft: Lass Dein Geld bei uns. Sie bestimmt das Verhalten von Arbeitgebern und Käufern, die alle nur eines wollen: Für möglichst wenig Geld möglichst viel Leistung. Die Gier der "Volksvertreter", die nach immer schärferen Gesetzen schreien, doch die sich - je weiter oben, desto schamloser - bereichern. Ich sehe sie in der Blutspur, die die Multis in der 3. Welt hinterlassen und die bisher mehr Menschenleben gekostet hat, als wenn man ganz New York in die Luft sprengen würde. Der gnadenlosen Konkurrenzkampf der Konzerne untereinander, in Form von Wirtschaftskriminalität, Bestechung und Abwerbung, alles nur aus Gier. Sie ist Triebkraft der sinnlosen Ausbeutung der Ökosphäre, wo es nur um eines geht: Wachstum um jeden Preis, und sei es um den der Selbstvernichtung. Sie grinst mich an auf den Aktienmärkte, die die Kapitalflüssen der Banken rund um die Welt steuern: Wo kann das Geld mit noch weniger Einsatz noch mehr Profit bringen? Die Arbeitsplatzvernichtung in den Industriestaaten, im Namen der Gier. Die Kriege des Nordens gegen den Süden, um sich Rohstoffe und Absatzmärkte zu sichern, von der Kolonisation seit dem 17. Jahrhundert über Vietnam bis zur Golfkrise: Gier. DAS ist das Gesicht hinter den schönen Reden, das ist die zivilisierte Welt. Der Streit der Kirchen, ihre Missionstätigkeit, alles aus Gier nach Macht, Einfluss und Geld. DAS ist die zivilisierte Welt. Die Kinder, die mit ihren Computerspielen schon seit Jahren die Zerstörung New Yorks simulieren, weil ihnen die Eltern keine Alternativen bieten. DAS ist die zivilisierte Welt!
Was hat denn die AIDS-kranke Prostituierte in Thailand davon, dass "die Welt zusammenrückt"? Wird sie zum Shoppen nach New York jetten? Das Geld von ihren gierigen Sextouristen wird nicht mal für die Medikamente reichen, deren Preise von den Pharmakonzernen künstlich hochgehalten werden. Wo ist die "offene Gesellschaft", die Flüchtlinge ertrinken lässt, nachdem sie selbst das Elend über diese Landstriche gebracht hat. Was sind das für "friedliebende Völker", deren Vertreter in Seattle und Genua zusammenkamen, um dafür zu sorgen, dass Politik, Geld und wirtschaftlicher Abhängigkeit die Waffen bleiben, um 2/3 der Welt weiter auszubeuten?
Es war der freie Wille der Menschen, die im World Trade Center und im Pentagon gearbeitet haben, dieses System zu unterstützen. Sie waren keine armen Menschen. Ihre Vorortvillen standen auf den Leichen tausender Kinder, die in der Sahelzone verhungerten, während wir Nahrungsmittel ins Meer kippten; auf den Leichen von Indianern am Amazonas, die umgebracht wurden, damit wir billige Steaks von freilaufenden Rinderherden essen können. Dem Menschen, der - wenn es nun wirklich Osama Bin Laden war - diesen Terrorakt angezettelt hat, wird eine überdurchschnittliche Bildung, ein zurückhaltendes Wesen und eine ausgesprochene Höflichkeit im zwischenmenschlichen Umgang bescheinigt. Er hat, außer seinem islamischen Glauben, nur einen Nachteil: Er lebt in dem Teil der Erde, der der Hinterhof der "1." Welt ist. So kann man, wenn man ehrlich ist, nur eines feststellen: Der Anschlag auf das Pentagon und das World Trade Center sind lediglich eine perverse Antwort auf unsere perverse Zivilisation. Und machen wir uns keine Illusionen über unsere "zivilisierte" Antwort: der amerikanische Cowboy wird seine ganz große Pistole auspacken und ein paar Landstriche des Hinterhofes im Namen des "zivilisierten christlichen Abendlandes" in die Steinzeit zurückbomben..." ´
(Wulf Mirko Weinreich - gefunden von McGoohan)
Diese schriftliche Art eines gegen sich selbst gerichteten Sadismus wird in den nächsten Wochen und Monaten wohl immer wieder auftauchen. Das interessante an diesem Text, ist nicht sein Inhalt, sondern die eigene Reaktion. Unwillkürlich zuckt man innerlich zusammen, und denkt verschämt oder verärgert: "Jaja, so ist das schon" und das schlechte Gewissen setzt ein. Ging mir so. Doch dann stolperte ich über diese Forumlierung:
Es war der freie Wille der Menschen, die im World Trade Center und im Pentagon gearbeitet haben, dieses System zu unterstützen.
So kann man nicht argumentieren. Wir sind alle nur Teile eines Systems. Wenn man den Gedanken weiterführen würde, könnten die Amerikaner in ein paar Tagen auch sagen."Hey, Idiot, Du bist ja freiwillig ein Muslim, also wundere Dich nicht wenn eine Smart Bomb auf Deinen Schädel fällt". Und wenn der Araber dann sagt: "Hey, aber Du tust ja nix für die hungernden Kindern in Somalia!", dann kann der Ami locker und auch noch zu recht sagen."Du etwa?" Das reiche Saudi Arabien ist nicht gerade bekannt dafür, den quasi Nachbarn in Afrika permament unter die Arme zu greifen. Auch in Ost-Timor oder in Tibet konnte man wenig von deren Geld oder Hilfe sehen. Aber das bringt es ja nun auch nicht.
Wir alle sind Teil eines Systems. Eines Systems, das so verworren ist, das wir es sogar dann unterstützen, wenn wir den Rechner anschalten und ins Internet gehen, denn damit finanzieren wir alle irgendwie AOL, Sony oder Bertelsmann. Wir können uns aus dem System auch nur schwer lösen, denn selbst der berühmte Schafhirte in Neuseeland ist mittlerweile einer weltweiten Schaftquotenregelung unterworfen.
Das Problem ist auch nicht nur die Gier allein. Gier ist auch ein christliches Problem, und zählt nicht umsonst zu den sieben Todsünden. Das Teilen ist im Christentum als Gesetz nicht verankert. Im Gegensatz zum Islam (Koran), wo es Usus ist, das die Reichen zumindest während des Ramadan, in die Armenviertel gehen und Brot, Geld und Medikamente verteilen. Aber das Problem "Arm" und "Reich" haben alle Gesellschaften, unabhängig von der Religion, oder der Staatsform.
Uns sind wir doch mal ehrlich: So schlecht ist das System nicht. Der Sozial und Lebensstandart ist der Beste den man in der Geschichte jemals erreicht hat. Dumm nur, das er nicht für ALLE gilt.
Das Problem ist die Verteilung von Geld. Ein einfaches Beispiel. Bill Gates hat (ich schätze mal blind) 50 Milliarden Mark Vermögen. Würde er jedem somalischen Bürger eine Millionen Mark auf ein Konto überweisen, wäe er kaum ärmer, alle Somalier aber reicher.
Das Geld der Industrienationen reicht locker und längst um die meisten Probleme der Welt zu lösen. Und genau DA fängt das Problem an. In dem Moment, in dem man alles Geld verteilt, in dem man sozusagen alle "gleich" machen würde, wird Geld unwichtig. In dem Moment verschwindet auch die Machtbasis der meisten Staaten und Religionen. Und ich meine hier nicht nur die westliche Zivilisation. Solange man Abhängigkeiten schafft, solange hat man Macht. Das war bisher zumindest so, denn wir lebten im kalten Krieg. Hat ein Staat von der einen Seite was genommen, war denen hörig und umgekehrt.
Neo-Imperialismus nannte man das auch mal modisch vor ein paar Jahren. Auf die ein oder andere Weise praktizieren das alle Staaten, die eine gewisse ökonomische Macht innehaben.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang daher das Buch "Terror der Ökonomie" von Vivanne Forrester zu lesen.
Don Dahlmann