Ende?
Peter Praschl nimmt heute mal den
Spiegel auseinander, bzw. dessen Berichterstattung über Hannelore Kohl. Ergebnis: Sprache des Blattes ist gedrechselt, aber in der Aussage letztlich nicht besser, als jedes Printerzeugnis der Yellow Press nach dem Tod von Lady Diana. Sowas ähnliches dachte ich mir beim Lesen des Artikels im Spiegel auch, erwartet man doch von dem Blatt eigentlich was anderes. Entweder sie haben was, womit sie aufwarten können, oder sie lassen es und schweigen pietätvoll. Auch das Printerzeugniss braucht Quote, und "Helmut-Kohl-Bashing" ist immer noch oppertun genug, um die Auflage nach oben zu treiben und die paar Restlinken die immer noch "Birne" zu Kohl sagen ein süffisantes "Hab-ich-ja-immer-gewußt-hab-ich-das" auf die Lippen zu zaubern. Ich mag Kohl nicht besonders, aber eine Verurteilung seiner Person maße ich mir nicht an, auch deswegen - gebe ich gerne zu - weil mich seine Leistung a) 16 Jahre im Amt zu bleiben, und b) sich mit sämtlichen Staatsoberhäuptern zu verbrüdern schon beeindruckt. Wer Hand in Hand und weinend mit Francois Mitterand, schwitzend mit Gorbatschow und Jelzin in der Sauna, und scherzend mit Reagan, Bush sen. und Clinton durch die Welt tingelt, nebenbei mitwirkt, friedlich den Ost-West Konflikt zu beenden, hat einen gewissen Respekt verdient, auch wenn man ihn nicht gewählt hat.
Das der Spiegel Kohl nicht leiden kann, ist bekannt, das diese Abneigung auf Gegenseitigkeit beruht auch. Aber muß man deswegen auf so ein Niveau abrutschen? Und was, bitte schön, hat der Spiegel in den letzten Jahren so an ruhmreichen Storys hervor gebracht? Nicht mehr als Stern oder Focus, die sich diese Woche sowieso lieber mit einem Bericht über Teenager-Liebe auf Bravo Niveau begnügen. Seien wir ehrlich, dieser Artikel ist stumpfsinnig und an den Haaren herbei gezogenen. Wenn der Spiegel auch nur einen Beleg für Kohls Hartherzigkeit und einen Ehebruch hätte, er würde ihn zeigen. Kann er aber nicht, also schwadroniert der Autor herum. Das aber wiederum ist ein trauriges Indiz: Der klare politische Journalismus ist tot, mausetot. Und das erst nicht seit heute. Die grossen Story gab es nur gestern, und darunter leidden die Journalisten.
Das die Medien im Kosovo-Krieg instrumentalisiert wurden, haben diese erst ein Jahr später herausgefunden. Was im Golfkrieg an der Front abgegangen ist, weiß man bis heute nicht. Die Politik der Politik gegenüber den Medien ist seit Jahren klar: Ausgrenzen wo man kann, nicht reinlassen, wo es wichtig ist. Erfunden hat dieses Prinzip im übrigen nicht Kohl mit seiner "Pizza-Connection" sondern Helmut Schmidt in den Zeiten des heißen Herbstes. Da gab es den "kleinen Krisenstab", ein kleiner Tisch um den ein innerer Zirkel bestehend aus den wichtigsten Ministern und den Oppositionsführern saß. Dort wurde beraten, entschieden wurde in noch kleinerem Kreis, wie Heinrich Breloers vorzügliches Dokumentarspiel "Todesspiel" eindrucksvoll gezeigt hat. Aber Informationen sickern nur dann durch, wenn ein grösserer Kreis von Personen beteiligt ist.
Das weiß und wusste auch Kohl, der seine Entscheidungen in den 80er und 90er Jahren gerne bei seinem Lieblings-Italiener fällte. Anwesend hier: nur die persönlichen Vertrauten des Kanzlers, und das waren noch nicht mal seine Minister, sondern Ede Ackermann, Eki Seeber, lange Horst Teltschick, danach Andreas Fritzenkötter, und wahlweise der ein oder andere Minister. Eine verschworene Runde, von der der Spiegel nur soviel herausgefunden hatte, das es sie gab, und was man gegessen hat. Schröder hat das Prinzip am Anfang nicht beherzigt, und so tappte er von einem Fettnäpfchen ins nächste. Wurde erst besser als Lafontaine die Segel strich, was immerhin offenbarte, wo das Leck in der Regierung war.
Ehrlich gesagt, erfährt man heute über Politik mehr, wenn man den Oberschleimer Graf Neyhauß in der "Bild" liest, verglichen mit dem, was an politisch relvanten in den Magazinen zu lesen ist. "Skandale" erfährt man nur dann, wenn einer eh schon zum "Abschuss" freigegeben ist, wie im letzten Jahr der Landwirtschaftsminister Funke. Was bleibt ist eine Lähmung der Presse, die sich ihrer stumpfen Waffen sehr bewußt ist und mit Artikeln wie jener im Spiegel trotzig zu beweisen sucht, welche Macht man noch inne hat.
Don Dahlmann