Todschickes Poppen
Sonntag Nachmittag. Schon immer eine blöde Zeit gewesen. Als Kind besuchten wir immer Tanten, Omas und sonstige Menschen die in irgendeinem, zumeist für mich sehr zweifelhaften Verwandschaftsgrad standen. Sonntag Nachmittag bedeutete, das ich mich in Klamotten zwängen mußte, von denen meine Mutter völlig überzeugt war, daß sie t o d s c h i c k seien, und bei den zu besuchenden Verwandten Heulkrämpfe aus lauter Neid auslösen würden. Aber meine Verwandten dachten noch nicht mal im Traum daran, und schon gar nicht, nachdem der Eierlikör auf dem Tisch stand. Das war sehr frustrierend, zumal man auch mit den t o d s c h i c k e n Klamotten auch nichts vom dem tun durfte was man sonst gerne so tat, zum Beispiel auf den Boden setzen. "Setzt Dich nicht auf den Boden mit den schönen Sachen" hieß es dann immer, in zumeist scharfen Ton, und bevor man überhaupt daran dachte, sich auf dem Boden zu fläzen. Denn auch als Kind, will man sich nicht permanent auf dem Boden rumtreiben. Es sei denn, man hat t o d s c h i c k e Klamotten.
Ich habe den Drang, besonderns ansehnliche Kleidungstücke sofort zu beschmutzen, bis heute. Erfreue ich meine Kollegen und Kolleginnen mal mit einem frisch gereinigten Sakko, kann ich Gift drauf nehmen, das ich a) Mittags ein Brötchen esse, auf dem sich 3 Liter Remoulade befinden, und sich b) ein großer Tropfen dieses Zeugs an eine für alle sofort sichtbare Stelle meines Sakkos heftet. Das ist auf Dauer ganz schön teuer, diese Reinigungen, also ziehe ich halt schraddelige T-Shirts an, die das Auge meiner geschätzten Kollegen und Kolleginnen zwar nicht immer erfreuen, aber sauber bleiben.
Heute setze ich mich auch noch ab und an und ohne Rücksicht auf die Mode auf den Boden, aber ich wohne ja auch alleine. Deswegen sind mir Sonntag Nachmittage allerdings weiterhin verhasst. Denn was kann man alleine und recht unmotiviert an einem Sonntag Nachmittag machen? Entweder man trinkt Samstag Abend so viel, das den ganzen Sonntag mit Regenerierungs-Aufgaben zu tun hat, oder man langweilt sich, und überlegt, in welche Läden man seine (mittlerweile selber gekauften) t o d s c h i c k e n Klamotten ausführen kann. Oder was man Essen kann. Oder ob die Tennisübertragung auf
Eurosport vielleicht doch ganz spandend ist. Oder ob man vielleicht dieses Panzerarmband aus ebenso puren wie minderwertigen Gold bei
H.O.T. erstehen soll. Päarchen haben es besser. Die können Sonntagnachmittag wenigstens poppen.